„So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Ich bin ausgewesen. Ich habe gesehen: Hospitäler“. Das ist der Anfang von Rainer Maria Rilkes „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Wie Rilkes Brigge hat auch David Wagners Erzähler in seinen Aufzeichnungen namens „Leben“, für die Wagner gerade den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hat, Krankenhäuser gesehen. Und wie bei Rilke handeln auch Wagners Aufzeichnungen von einer existenziellen Krise, von Leben und Tod. Wagner litt selbst seit seiner Kindheit an Autoimmunhepatitis, einer Autoimmunkrankheit der Leber.
David Wagner hat ein Buch über diese Krankheit und die langen Klinikaufenthalte geschrieben. Der Ich-Erzähler im Buch musste lange auf eine Spenderleber warten. Und als er eines Tages einen Anruf bekommt und man ihm eine Spenderleber anbietet, lehnt er ab, weil seine kleine Tochter bei ihm schläft und er sie nicht wecken will. Das zweite Angebot nimmt er an. Da man im Krankenhaus viel Zeit zum Beobachten und Erinnern hat, sind tagebuchartige Aufzeichnungen entstanden. Der Erzähler reflektiert einerseits über das Leben und den allgegenwärtig drohenden Tod, hält andererseits aber auch Klinikalltäglichkeiten und die „kleinen Klinikfreuden“ fest. So beschreibt er etwa die stets wechselnden Zimmergenossen, mal ist es ein erzählfreudiger Kellner aus Ostdeutschland („Er war Ober im Operncafé, und als Ober des Operncafés, in der DDR waren Kellner mächtige Menschen, konnte er überall saufen. Umsonst. Na ja, das rächt sich heute, sagt er“), mal ist es ein Fleischer, der die Wurst aus der Wurstfabrik, in der er arbeitete, nicht mochte, mal ist es ein Getränkehändler, dessen Geliebte ein Nagelstudio betreibt, mal hat er einen Zimmernachbarn, der kein Wort mit ihm wechselt. Auch die Krankenhauslangeweile wird beschrieben und die altmodischen Fernseher („Vier Sekunden können sogar im Krankenhaus sehr lange sein, so macht Zappen keinen Spaß“). Der Erzähler beschreibt natürlich auch die schwer zu ertragende Passivität seines Zustands, sein Warten auf den Tod eines Anderen: „Ich warte auf ein Leben, ich warte auf den Tod. Ich warte, ja ich weiß, ich weiß es schon lange, auf dich“.
Der zweite Teil des Buches handelt von der Zeit nach der Transplantation, der Körper darf die neue Leber nicht abstoßen. Immer wieder geht es um die „guten“ Werte: „Ich bin meine Krankenakte, ich bin die Kurve meiner Werte“. Die Gedanken kreisen auch oft um den oder die unbekannte/n Spender/in. Soll er den Angehörigen des Spenders, deren Identität in Deutschland geheim bleiben muss, einen anonymen Dankesbrief schreiben? Er bleibt unschlüssig. Seine Gedanken driften ab. Er denkt an vergangene Brieffreundschaften. Am Ende ist ihm klar, was dieses Buch sein könnte: „Und all diese Erinnerungstrümmer, die Verzweiflung, die Peinlichkeiten, die kleinen Klinikfreuden, sie müssten vielleicht nur aufgeschrieben werden, das könnte eine Art Dankesbrief sein“.

Der zweite Teil des Buches handelt von der Zeit nach der Transplantation, der Körper darf die neue Leber nicht abstoßen. Immer wieder geht es um die „guten“ Werte: „Ich bin meine Krankenakte, ich bin die Kurve meiner Werte“. Die Gedanken kreisen auch oft um den oder die unbekannte/n Spender/in. Soll er den Angehörigen des Spenders, deren Identität in Deutschland geheim bleiben muss, einen anonymen Dankesbrief schreiben? Er bleibt unschlüssig. Seine Gedanken driften ab. Er denkt an vergangene Brieffreundschaften. Am Ende ist ihm klar, was dieses Buch sein könnte: „Und all diese Erinnerungstrümmer, die Verzweiflung, die Peinlichkeiten, die kleinen Klinikfreuden, sie müssten vielleicht nur aufgeschrieben werden, das könnte eine Art Dankesbrief sein“.